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FUEGO/Friedel Muders.
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Interview mit FUEGO und Friedel Muders
zur MP3-Problematik der Musikindustrie

 

1. Wie beurteilt FUEGO die herangehensweise deutscher Labels an die MP3-Problematik? Gibt es einen Unterschied zwischen deutschen und amerikanischen Labels?

In Deutschland herrscht eine "stillschweigende" Vereinbarung zwischen den großen Plattenfirmen, MP3 zu tabuisieren. Es dürfen auf Web- oder Künstlerseiten keine MP3 Files auftauchen, mit Ausnahme von Remix-Wettbewerben. Ich finde diese Tabuisierung übertrieben, vor allem, weil die anderen Formate wie Quicktime oder Real oder LiquidAudio inzwischen technisch keinen qualitätsmäßigen Unterschied mehr aufweisen. Es geht hier nur um Psychologie. Die amerikanische Plattenindustrie betrachtet das Internet mit MP3 da gelassener und begreift es "in gesitteter Form" als Alternative zum Radio und als Promotion für die Platten.

2. Ist die Panik der Labels berechtigt?

Es gibt Ansätze, das die Panik der Plattenfirmen berechtigt ist. Das liegt meiner Meinung auch an den Fehlern der Firmen selbst. Die One-Hit-Acts, die vierteljährlich auf unendlichen Compilations mit billigsten Covern und kaum einer Info, aber mit enormen Werbe- und Marketingkosten auf dem Markt erscheinen, sind geradezu predestiniert, um als Raubkopien im Internet zu grassieren. Und jahrelang wurde die Wertigkeit der Alben ebenfalls auf die Plastikscheibe reduziert. Erst mit der Gefahr durch das Internet fängt man wieder an zu begreifen, dass die Wertigkeit eines Produktes auch zum Kauf des Originals beitragen kann. So erhöht die Qualität eines "dicken" Booklets und z.B. ein hochwertiger Multimedia-Track das Kaufargument nachhaltig und das Musikstück im Internet verliert zumindest ideell an Wert.

3. Die Bemühungen der Firmen sind ja verstärkt worden. Siehst Du irgendwo ein tragfähiges Konzept?

Die Firmen haben vor allem einen gravierenden Fehler gemacht. Sie hatten sich wie Eltern oder sogar schlimmer, wie Pastoren hingestellt und diese moralische "Copy Kills Music"-Kampagne gestartet. Das ging voll nach hinten los. Das größte Versäumnis ist, dass die großen Majors nie vermitteln konnten, was für ein Kostenaufwand es ist, einen Künstler aufzubauen, wieviele Künstler es nicht schaffen und dass Unmengen von Geld einfach auch auf der Strecke bleiben, ohne dass man daran in dieser Branche etwas ändern kann. An diesem Geld hat sich aber niemand bereichert. Die Konsumenten denken bis heute, dass diese übrig bleibenden Euros direkt in die Taschen der Majors wandern und als Reingewinn hängenbleibt. Dass davon ständig Milliarden in neue Künstler investiert werden, von denen leider oft auch viele gute Acts - aus den verschiedensten Gründen nie bekannt werden - sehen sie nicht. Und das zu vermitteln, ist meiner Meinung nach einer der wichtigsten Ansätze auch für den Werterhalt von Musik und Kultur. Ein tragfähiges Konzept in diese Richtung sehe ich zur Zeit nirgends.

4. Wo liegen Deiner Ansicht nach die Versäumnisse, was können die Labels besser machen?

Das wichtigste ist, das Image des Tonträgers, des Künstlers und auch der Musikbranche zu verbessern. Ich glaube, dass der verkaufbare, physische Tonträger noch lange Bestand haben kann, wenn er die vom Käufer erwartete Wertigkeit beinhaltet. Neu ist nun, dass diese sich nicht mehr nur auf die Musik beschränkt, wenn diese "frei" im Internet kursiert. Daher muss die Integrität des Künstlers stimmen, das Produkt — der Tonträger — muss sich qualitativ hochwertig von einer "Nur-Kopie" unterscheiden und je nach Möglichkeit durch Besonderheiten wie Multimedia zusätzlich aufgewertet werden.
Wenn man nun den Fehler macht, den Bonus Multimedia durch schlechte Inhalte selbst "ad absurdum" zu führen, stellt sich die Musikindustrie genauso ein Bein, wie wenn sie hochwertige Compilations für "billigstes" Geld über 'McFastfood-Läden' oder Dumping-Kampagnen gr0ßer Elektro-Märkte verkauft, nur um Umsätze einzuspielen. Dann ist es kein Wunder, wenn die Kids sagen, es gehen ja auch 18 Songs für 4,99 Euro - und der Musikbranche dann die Argumente ausgehen. Das sind meiner Meinung nach gravierende Fehler.

5. Welche Nutzung von MP3 hälst Du für legitim, wo liegt die Grenze?

Ich finde es für plattformübergreifenden Austausch bei Remixwettbewerben akzeptabel und auch als Anspieltip zum Probehören. Ich sehe MP3 für mich in der gleichen Kategorie wie alle anderen Formate. Viel sinniger aber ist die Frage - muss ein Künstler seine Musik verschenken? Und da glaube ich, dass jeder, der etwas erschafft, auch Anspruch für einen Gegenwert hat, auch bei geistigem, nichtmateriellem Produkt. Und das muss einfach von allen Konsumenten begriffen werden.

6. Meinst Du Downloads in irgendeiner Form können für den Nutzer die gekaufte Platte ersetzen?

Ich denke, dass sich sicher Downloads langfristig durchsetzen werden. Es wird aber immer ein Bedarf an einem Tonträger mit Booklet, in dem man blättern kann und das alle weiteren Medien wie Presse, TV und Internet qualitativ ergänzt, geben wird und noch lange eine Berechtigung haben wird.
Was langfristig passieren wird, ist eine Verlagerung. Der tägliche Konsum wird über die Downloadshops erfolgen und über iPods und Mediacenter-PCs gehört werden. Daneben wird sich ein Markt für teuer ausgestattete CD-Boxen entwickeln, die dann in limitierter Auflage weltweit erscheinen - für Sammler oder als besondere Präsente.

7. Siehst Du einen Ausweg aus dem Dilemma, eine Lösung mit der allen Seiten gedient ist?

Ich denke, dass erst die Zeit diese Frage klären wird. Im Moment gibt es bei der Norm für den Musikdownload vor allem einen unheimlichen Kampf um Lizenzen — und zwar für die Firma, die sich mit einem "kopiersicheren" Musikformat durchsetzen kann — wenn das überhaupt möglich ist. Bei der Lizensierung der Musikformate, da spielen sich z.Zt. die wahren Machtkämpfe ab. Und solange dort keine Software etabliert ist, wird sich MP3 als Standard halten. Und es wird Jahre dauern, bis sich etwas neues durchsetzt. Ebeso schwierig ist es ja zur Zeit ein vernünftiges Abrechnungssystem im Web zu etablieren. Auch hier geht es vor allem um den Kampf von Lizenzen zwischen den Konzernen. Daher bleibt der klassische Tonträger und seine Imagebewertung noch lange aktuell. Ich denke, er wird erst richtig ersetzbar, wenn 'jegliche' Musik - in bezahlbarem Maßstab für den Konsumenten immer und überall - über Handy, beim Joggen, am Strand, im Auto und an der Heimanlage - auf Wunsch (wie an einer Musikbox) abrufbar wird. Dann brauche ich kein privates Tonträgerarchiv mehr.

8. Ein Hinweis noch ...

Eines der Hauptprobleme im Internet ist die extreme Polarität zwischen den Konsumenten auf der einen und den Multikonzernen auf der anderen Seite. Die Konsumenten haben die Haltung entwickelt, dass sie alles frei über das Internet erhalten wollen und die Wertschätzung eines Angebotes zumindest ideell immer bedeutungsloser wird. Die Wertrigkeit eines Angebotes spielt bei diesen "Sucker"-Konsum nur untergeordnete Bedeutung. Es geht nur ums "umsonst Haben" und das Produkt selbst verblasst vor dem reinen "Sammlertrieb im Netz".

Im Gegenzug sind die großen Multis dabei, jegliche Rechte an allen Gütern - besonders auch den bisher allgemein kulturellen, kommerziell verwertbar zu machen und über das Internet gegen Cash feilzubieten. Beides ist so extrem, dass neben der oben angesprochenen technischen Seite auch dieser "ideelle" Gesichtspunkt einer tiefergehenden Betrachtung bedarf. Das würde hier nun aber den Rahmen sprengen. Gedanken sollte man sich dazu aber schon mal machen ...